OB-Wahl

Ein persönlicher Brief Jungherrs und ein Anhänger für Korwisi

Von Bernhard Biener, Bad Homburg

Skeptischer Blick: Kann Michael Korwisi die Stichwahl gegen Amtsinhaberin Urs...

Skeptischer Blick: Kann Michael Korwisi die Stichwahl gegen Amtsinhaberin Ursula Jungherr gewinnen?

07. Mai 2009 Georg Eberlein ist ein Mann, an den viele Bad Homburger in diesen Tagen denken, ohne ihn zu kennen. Sein Name ist weit weniger präsent als die seiner Nachfolger, und seine Partei, die Liberaldemokratische Partei (LDP), ging im Westen Deutschlands bald in der FDP auf. Doch Eberlein ist der einzige und letzte Bad Homburger Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg, der nicht der CDU angehörte. Seit Karl Horn, der sein Amt 1948 antrat, hat die Partei die Position für sich gepachtet.

Nach dem 26. April scheint hingegen alles möglich. Im ersten Wahlgang der Oberbürgermeisterwahl kam die 62 Jahre alte Amtsinhaberin Ursula Jungherr (CDU) nur auf den zweiten Platz. 6209 Stimmen bescherten ihr ein Ergebnis von 39 Prozent. Genau 40 Stimmen mehr bekam Michael Korwisi, zu Zeiten der schwarz-grünen Koalition Jungherrs hauptamtlicher Magistratskollege. Der 57 Jahre alte Lehrer für Englisch und Russisch ist Mitglied der Grünen, wirbt aber als unabhängiger Kandidat mit der Farbe Blau.

Richtungswahl

Am Sonntag treten Jungherr und Korwisi in der Stichwahl gegeneinander an. Ihr Mitbewerber vom 26. April, Karl Heinz Krug (SPD), ist mit 21,7 Prozent ausgeschieden. Dennoch war sein Ergebnis insbesondere deshalb beachtlich, weil ihn zwei Monate vor der Wahl praktisch niemand in Bad Homburg gekannt hat. Der aus dem Vogelsberg zugezogene selbständige Unternehmensberater hat mit seinem korrekten Auftreten und dem Themenschwerpunkt Wirtschaft nicht nur typische SPD-Wähler gewinnen können. Das macht die Vorhersage, wie sich die Wahlempfehlung der SPD zugunsten Korwisis auswirken könnte, schwierig.

Die Empfehlung klang nicht durchweg begeistert. Mit Korwisi werde sich vieles ändern, aber vielleicht nicht immer verbessern, hieß es darin. Auf jeden Fall diente sie CDU und FDP als Anlass, die Entscheidung vom Sonntag zur Richtungswahl zu erklären: Die bürgerliche Koalition gegen Rot-Grün. Wobei die Bürgerliste Bad Homburg (BLB) anschließend darauf aufmerksam machte, dass sie ebenso wie die Neue Homburger Union (NHU) ebenfalls Korwisi unterstütze. Die nicht mehr im Parlament vertretenen Freien Homburger Wähler haben sich dem angeschlossen.

Gefahrenabwehrverordnung

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Die CDU, deren Partei- und Fraktionsspitze sich im Dezember am Sturz Jungherrs versucht hatte, beschwört in diesen Tagen Teamgeist. Die Oberbürgermeisterin wiederum hat erkannt, dass sie häufiger auf der Straße zu sehen sein muss. Sie nahm sich bis zur Stichwahl frei. In einem an alle Haushalte verteilten, persönlich gehaltenen Brief versprach sie: „Der uns verpasste Denkzettel hat seine Adressaten erreicht.“ Die Politik im Rathaus werde künftig bürgernäher sein. Viele Bürger fühlten ihre Interessen nicht ausreichend vertreten. Hier habe sie mit der CDU Fehler gemacht, „und dafür entschuldige ich mich bei Ihnen“.

Bei einer Reihe von Bürgerinitiativen, die sich gegen einen Schulbau in der Nähe des Landschaftsschutzgebiets Platzenberg wenden oder gegen eine Bebauung am Ober-Eschbacher Ortsrand, ist die Entschuldigung wirkungslos geblieben. Sie greifen die Oberbürgermeisterin trotz ihrer Beteuerungen, weder das eine noch das andere sei ihre Absicht, heftig an. Bei Korwisi hingegen finden alle Arten von Protestgruppen ein offenes Ohr. Seine Kritiker werfen ihm deshalb Beliebigkeit und zu viele Versprechungen vor. Seine Unterstützer haben ihre Bezeichnung „Anhänger“ unterdessen wörtlich genommen und einen ebensolchen mit einem großen Korwisi-Werbeschild versehen. Von einem Traktor gezogen, tuckern sie durch die Bad Homburger Straßen. Es ist zugleich ein Protest dagegen, dass sie Wahlplakate wegen der städtischen Gefahrenabwehrverordnung auch nicht auf dem eigenen Grundstück aufstellen dürfen.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: ©Helmut Fricke

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